Sonntag, 14. Juni 2015

OpenLetter2ConstitutionalCourtGermany_201506







Abe Treiner  Leopoldstraße 124  D-80802 München



Bundesverfassungsgericht
Postfach 1771
76006 Karlsruhe






München, 14. Juni 2015

 


Offener Brief an das

Bundesverfassungsgericht





 

Sehr geehrter Herr Gaier,

Sehr geehrter Frau König,

Sehr geehrter Herr Paulus,

Sehr geehrter Herr Landau,

Sehr geehrter Frau Kessal-Wulf,

Sehr geehrter Herr Schluckebier,


Sehr verehrte Leser und im Anhang genannten Empfänger,

Sehr verehrter Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland,

hierzulande maßt man sich an, Rechtsstaatlichkeit in anderen Ländern anzumahnen, wenn wir Kenntnis von Geschehnissen erhalten, die wir als nicht vereinbar mit unserer Wertevorstellung erachten. Diese, unsere Überhebung können wir jedoch nur dann zurecht aufrecht erhalten, wenn wir unserer grundgesetzlichen Verpflichtung uneingeschränkt nachkommen und bereit sind Geschehnisse hierzulande, die ebenfalls rechtsstaatliche Regeln missachten, unabdingbar einer angemessenen Bewertung durch Rechtsorgane zuzuführen.

Die uneingeschränkte Beachtung dieses rechtsstaatlichen Grundsatzes wurde uns vom Grundgesetzgeber als verpflichtender Auftrag nach den Erfahrungen des Unrechtssystem hinterlassen. Dies bedeutet, dass für Rechtsorgane und insbesondere für die Ultima Ratio Instanz eines Verfassungsgerichts, dann Handlungszwang besteht, wenn Fehler im Rechtssystem erkannt werden, die, um eine Geschichtswiederholung zu vermeiden, einer öffentlichen Klärung und zukünftigen Vermeidung zugeführt werden müssen. Die Missachtung dieses Grundsatzes hatten die abscheulichsten Geschehnisse der Weltgeschichte zur Folge. Diese Erkenntnis muss unseren ethischen und moralischen Anspruch bestimmen.

Die Missachtung dieses rechtsstaatlichen Grundsatzes zeigt obendrein bereits heute wieder Auswirkungen, die das Wiederentstehen eines Unrechtssystem nicht unwahrscheinlich machen. Als Beispiele seien hier Missbräuche polizeilicher Gewalt, erkennbare Verstrickungen von Rechts- und Ausführungsorgane im Umfeld von NSU3 Machenschaften sowie jüngste Ereignisse eines menschenverachtenden Umgangs von Ausführungsorganen mit Asylsuchenden34, mit einer Dimension welche sich nahezu mit jenen, von Zeitzeugen berichteten, Geschehnissen aus Konzentrationslagern zu decken scheinen. Von seriösen Institutionen, wie Süddeutsche Zeitung und Amnesty International wurden allein im Zeitraum 2009 bis 2011 annähernd 15000 Missbrauchsfälle polizeilicher Gewalt ermittelt. Hoch gerechnet muss bis heute von einem Ausmaß von annähernd 50000 Fällen ausgegangen werden. Derartige Entwicklungen können somit nicht mehr als bedauerliche Einzelfälle betrachtet werden.

3 NSU-Morde
34 Exzesse Bundespolizei








7 Michael Siegel
10 Volksgerichtshof
16 People's Court Germany
25 Bundesarchiv Bild 151-39-23 Volksgerichtshof
26 Bundesarchiv Bild183-R99542 Judenverfolgung, Michael Siegel




In den, meiner Verfassungsbeschwerde zugrunde liegenden, Verfahren, wurde von der Richterin Frau Ehrl des Landgerichts München klar und unmissverständlich das Versagen der Vorinstanzen und der involvierten Rechts- und Ausführungsorgane erkannt und thematisiert. Die Richterin Frau Ehrl hatte nicht nur eine Missachtung des Rechtsgrundsatzes 'keine Bestrafung ohne Tat' festgestellte, sondern auch die missbräuchliche Anwendung von Mechanismen angesprochen, die zweifellos Assoziationen an das 'Heimtückegesetz'12 14 des Unrechtssystems erkennen lassen. Die Richterin Frau Ehrl zeigte sich die geradezu bestürzt, dass durch unreflektiertes Handeln von Rechts- und Ausführungsorgane derartige Mechanismen nach deren belastender Vergangenheit überhaupt wieder in Betracht gezogen werde. Wenn aus diesem identifizierten Systemfehler unseres Rechtssystem keine Notwendigkeit zur Aufklärung und Beseitigung desselben erachtet wird, dann kann es keinen Zweifel geben, dass wir uns bereits wieder auf einer Einbahnstraße hin zu einem Unrechtssystem, mit möglicherweise bereits unumkehrbaren Status befinden. Der Grundgesetzgeber hat für eine solche Konstellation explizit den Artikel 20 Abs. 4 GG festgelegt und damit unmissverständlich uns und insbesondere das Verfassungsgericht zur Wahrnehmung unserer Verantwortung verpflichtet. Diese Wahrnehmung unserer Verantwortung verpflichtet uns erst recht dann, wenn Gerichte mit scheinbar rechtsstaatlich aufgesetzten Ritualen versuchen ein Erscheinungsbild von Rechtsstaatlichkeit zu vermitteln. Das Kriterium zur Einstufung eines Rechts- bzw. Unrechtssystems kann nur auf einer bindenden Anwendung und Einklagbarkeit von grundgesetzlichen Kernbestimmungen beruhen. Der Leitgedanke des Grundgesetzgebers war ohne Zweifel, dem Verfassungsgericht immer dann einen Handlungszwang aufzuerlegen, wenn Handlungen von Rechts- und Ausführungsorganen nicht das Potenzial eines wieder entstehenden Unrechtssystems unabdingbar abgesprochen werden kann. Auf eine Wahrnehmung dieser Verantwortung durch das Verfassungsgericht kann schon deshalb nicht verzichtet werden, da die wissenschaftliche Geschichtsforschung unreflektiertes Handeln von Rechts- und Ausführungsorgane als maßgebliche Ursache aller, von deutschem Boden ausgehenden Unrechtssysteme identifiziert hat.

12 Treachery Act of 1934
14 Heimtückegesetz



15 Bundesverfassungsgericht
18 Federal Constitutional Court of Germany
19 Portrait Gaier
20 Portrait Paulus
21 Portrait Schluckebier
22 Portrait Kessal-Wulf
23 Portrait König
24 Portrait Landau


In aller Welt wird eine unterbundene Einklagbarkeit eines, von Rechts- und Ausführungsorganen verursachten Rechtsfehlers als Wesensmerkmal eines Unrechtssystem angesehen. Dieser, vom Verfassungsgericht, missachtete Rechtsstandard zeigt leider bis heute jenen, von der Philosophin Hannah Arendt8 9 und dem Juristen Fritz Bauer1 2 thematisierten, Unwillen des deutschen Rechtssystems, sich der Verantwortung gegenüber der eigenen belasteten Vergangenheit zu stellen. Diese Verweigerung einer Wahrnehmung von Verantwortung durch Rechts- und Ausführungsorgane und deren Missachtung bindender grundgesetzlicher Bestimmungen hinterlässt den Eindruck einer Verhöhnung der Opfer des Unrechtssystems, weil es eine Aussichtslosigkeit vermittelt, überhaupt gegen ein wieder entstehendes Unrechtssystem wirksam vorgehen zu können. Die Nichtannahme einer Überprüfbarkeit von, durch Rechts- und Ausführungsorgane verursachte, Rechtsfehlern hinterlässt zudem einen Eindruck als würde das Verfassungsgericht gleichgerichtete Geschehnisse des Unrechtssystem als legitime, lediglich fehlinterpretierte Vorgänge der Rechtsgestaltung einstufen. Dies ist unerträglich und zeigt wiederum die arrogante Selbstgerechtigkeit deutscher Juristen, die einst der Weltöffentlichkeit durch das Gebaren von Richtern in Schauprozessen vor Augen geführt wurde. Die Weltöffentlichkeit hatte einst die Praxis des Unterbindens eines rechtlichen Gehörs für Opfer als Kerncharakterisierung eines Unrechtssystems identifiziert. Wenn heute ein Verfassungsgericht die gleiche Methodik anwendet, dann zeigt das nur eine seit 70 Jahren andauernde mangelnde Befähigung das eigene Handeln zu reflektieren und wird nicht durch ein Auftreten in wallenden kardinalroten Gewändern beschönigt.

8 Hannah Arendt
9 Hannah Arendt
1 Fritz Bauer
2 Fritz Bauer

Nachdem ich mich im Zusammenhang mit dieser Angelegenheit bereits wiederholt unangemessenen Maßnahmen durch Ausführungsorgane ausgesetzt sah, fordere ich das Verfassungsgericht auf ihrer Verantwortung zur Verhinderung des Wiederentstehens eine Unrechtssystem nachzukommen. Ich ersuche deshalb das Verfassungsgericht um Zulassung meines grundgesetzlich verbindlichen Anspruch zur Klärung und Bewertung eines Rechtsfehlers und Prüfung der Konformität mit grundgesetzlichen Kernbestimmungen. Der Grundgesetzgeber hatte den Anspruch, dass sich das Verfassungsgericht der Einhaltung der grundgesetzlichen Kernbestimmungen verpflichtet sieht und nicht vergleichsweise lapidaren Themen wie einem 'Kopftuchverbots für Lehrkräfte an öffentlichen Schulen'. Wenn Rechts- und Ausführungsorgane und insbesondere die letzte Instanz eines Rechtssystems nicht ihrer Verantwortung aufgrund der eigenen belasteten Vergangenheit nachkommen, dann muss diese nicht wahrgenommene Verantwortung von allen Anderen übernommen werden. Dies sind wir den Opfern dreier deutscher Unrechtssysteme schuldig und muss auf alle Ewigkeit unsere verpflichtende Handlungsmaxime sein und bleiben. Aufgrund des Postulats meiner Wahrnehmung einer historischen Verantwortung kann meinerseits eine unbegründete Nichtannahme meiner Verfassungsbeschwerde nicht akzeptiert werden. Für diesen Fall bestünde meine Verantwortungswahrnehmung darin, der Weltöffentlichkeit die Gefahren eines wieder entstehenden Deutschen Unrechtssystem durch ein unreflektiertes Handeln von Rechts- und Ausführungsorgane vor Augen zu führen.

Ich versichere, dass ich über die lutherische Entschlossenheit verfüge, mich auch scheinbar übermächtigen Gegnern entgegenzustellen und dass meine unerschütterliche Handlungsmaxime darin liegt, niemals dem Entstehen eines Unrechtssystems tatenlos zuzusehen und von Protagonisten eines solchen Bestrebens eine unabdingbare Wahrnehmung von Verantwortung einzufordern. Sollte mir hierdurch das Schicksal einer Sophie Scholl5 6, eines Grafen von Stauffenberg13 17 oder eines Georg Elser's4 11 beschieden sein, so habe ich bereits Vorkehrungen getroffen, um die Fallhintergründe schonungslos einer Weltöffentlichkeit zur Kenntnis zu bringen. Für diese Fall richte ich an den Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland die Bitte, mich postum von der Deutschen Staatsangehörigkeit zu entbinden. Ich möchte nach meinem Ableben nicht als Angehöriger dieses Staates wahrgenommen werden, für den ich mich Zeit meines Lebens, ob der ignoranten Wahrnehmung seiner historischen Verantwortung, schämen musste.


5 Sophie Scholl

6 Sophie Scholl

13 Claus von Stauffenberg

17 Claus von Stauffenberg

4 Georg Elser

11 Georg Elser
 


Mit freundlichen Grüßen 







Abe Treiner



Bild- und Referenznachweise


19) Portrait_Gaier Bundesverfassungsgericht lorenz.fotodesign, Karlsruhe

20) Portrait_Paulus Bundesverfassungsgericht lorenz.fotodesign, Karlsruhe

21) Portrait_Schluckebier Bundesverfassungsgericht lorenz.fotodesign, Karlsruhe

22) Portrait_Kessal-Wulf Bundesverfassungsgericht lorenz.fotodesign, Karlsruhe

23) Portrait_König Bundesverfassungsgericht lorenz.fotodesign, Karlsruhe

24) Portrait_Landau Bundesverfassungsgericht lorenz.fotodesign, Karlsruhe

25) Bundesarchiv_Bild_151-39-23,_Volksgerichtshof,_Reinecke,_Freisler,_Lautz

26) Bundesarchiv_Bild_183-R99542,_München,_Judenverfolgung,_Michael_Siegel

27) http://openletter2amtsgermuc.blogspot.com/2013/07/offenerbrief-zum-thema-wennsich.html

28) http://openletter2amtsgermuc.blogspot.com/2014/02/veroffentlichen-eines-offenen-briefes.html

29) http://openletter2amtsgermuc.blogspot.com/2014/09/offener-brief-das-landgericht-munchen.html

30) http://openletter2ragregorrose.blogspot.com/2014/05/offener-brief-rechtsanwalt-gregor-rose.html

31) http://openletter2amtsgermuc.blogspot.com/2013/08/offener-brief-das-amtsgericht-munchen.html

32) http://abtmuc-myconception-eng.blogspot.de/2014/06/my-self-conception-about-responsibility.html

33) http://openletter2amtsgermuc.blogspot.com/2014/09/offener-brief-das-landgericht-munchen_8.html

34) http://abtmuc-myconception-ger.blogspot.de/2014/06/mein-selbstverstandnis-aufgrund-unserer.html

35) http://openletter2amtsgermuc.blogspot.com/2014/09/offener-brief-das-landgericht-munchen_11.html

36) http://constitutionalcomplaintgermany2015.blogspot.de/2015/03/verfassungsbeschwerde-deutschland-2015.html

37) http://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/hannover_weser-leinegebiet/Fluechtlinge-in-Polizeizelle-erniedrigt,misshandlung136.html